Als das Vitromusée in Romont kürzlich aus dem internationalen Kunsthandel ein aussergewöhnlich schönes Glasgemälde mit der Darstellung von Adam und Eva erwerben konnte , wusste man, dass es in der Renaissance entstanden war und die Wappen von zwei Freiburger Stiftern zeigt. Dr. Uta Bergmann vom Vitrocentre Romont, dem wissenschaftlichen Partnerinstitut des Museums, entdeckte dann die kleine kunsthistorische Sensation: Das leuchtende Bild wurde 1541 ins neue Rathaus von Romont gestiftet! Dieses Rathaus existiert längst nicht mehr, sein Glasgemäldeschmuck wurde wohl schon am Ende der Alten Eidgenossenschaft verkauft. Doch Uta Bergmann gelang es nicht nur, in den Archiven die Quellenbelege zu finden, sie identifizierte sogar weitere Stücke dieses Ensembles in Museen in der Schweiz und im Ausland.
Die Geschichte des kostbaren Glasbildes, das wohl nach über 200 Jahren wieder nach Romont zurückfand, ist eines von unzähligen Beispielen neuer Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt, das nun in einem prachtvoll illustrierten, zweibändigen Buch veröffentlicht wird.
Während acht Jahren untersuchte die Autorin über 400 Glasgemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts, die in Kirchen, Museen und Privatsammlungen des Kantons Freiburg erhalten blieben. Aus dem Katalog dieser Kunstschätze ist ein ganzer Band geworden. Ein weiterer Band ist dem überaus reichen und faszinierenden kulturgeschichtlichen Hintergrund dieser gläsernen Bilder gewidmet. Die Publikation geht den Stiftern nach, die mit Bildern, Wappen und Inschriften allgegenwärtig blieben. Den oft berührenden Lebenswegen der Glasmaler und Fensterglaser, den Werkstattpraktiken, aber auch der Schenksitte ist ein grosser Teil der Arbeit gewidmet.
Freiburg i. Ü., seit jeher der Angelpunkt germanischer und französischer Kultur und Sprache in der Schweiz, beteiligte sich seit dem späten 15. Jahrhundert lebhaft an der Gewohnheit in der Eidgenossenschaft, sich gegenseitig Fenster mit Glasmalereien zu schenken. Die als Bildmedium äusserst wirksamen leuchtenden Glasbilder, die sich Kantone, kirchliche und gesellschaftliche Institutionen und Privatleute anlässlich von Bauprojekten stifteten, spielten eine wichtige Rolle im Selbstverständnis der Eidgenossen und förderten die Identität und Zusammengehörigkeit ihres Staatsbundes in kaum abschätzbarem Masse.
Das grundlegende Buch zur Kunst und Geschichte Freiburgs ist gleichzeitig auch ein wichtiger Beitrag zur Schweizer Kulturgeschichte und ein neues Werk in der angesehenen internationalen Publikationsreihe Corpus Vitrearum. Dieses kunstwissenschaftliche Forschungsunternehmen wurde 1952 mit dem Ziel gegründet, die Glasmalereien des Mittelalters systematisch zu erforschen und zu veröffentlichen. Über 100 Katalog- und Studienbände sind weltweit bereits erschienen. Unter der Verantwortung der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften SAGW wurden bisher 10 Schweizer Bände herausgegeben, davon sieben in Zusammenarbeit mit dem Vitrocentre Romont. Die Glasmalereien der frühen Neuzeit, wie jene im neuen Freiburger Band, wurden bisher in den Kantonen Zug, Aargau und Schaffhausen erforscht, der Kanton Bern ist in Arbeit. Die Veröffentlichung über Freiburg ist die bisher umfangreichste, und der erste Corpus Vitrearum-Band überhaupt, der in grossen Teilen zweisprachig erscheint! Er wird bei weitem nicht nur Spezialisten, sondern ein breites an Kunst, Geschichte, Familiengeschichte, Wappenkunde usw. interessiertes Publikum erfreuen!
Uta Bergmann
Die Freiburger Glasmalerei des 16. bis 18. Jahrhunderts
Corpus Vitrearum Schweiz, Serie Neuzeit, Band 6. Herausgegeben von der Kommission für das Corpus
Vitrearum der Schweiz. Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften und vom Vitrocentre Romont
Peter Lang International Academic Publishers, 2014, 1069 Seiten in zwei reich bebilderten Bänden
ISBN 978-3-0343-1559-3
(Der Text stammt aus der Pressemitteilung des Vitromusée Romont)